Meine Windhunde ... und ich

„Samira – die arabische Prinzessin aus Bahrein“

Meine Veröffentlichung in dem Magazin „Unsere Windhunde“, Heft 9, 2001

Der Emir

Salukis sind faszinierend! Ihre Schönheit im Aussehen und Anmut in der Bewegung sowie ihr souveränes Verhalten gegenüber Mensch und Artgenossen, verbunden mit Intelligenz und Sanftmut, begeistern jeden Windhundfreund immer wieder aufs Neue.

Die Lebensgeschichte eines Windhundes hat mich aber ganz besonders beeindruckt. Es ist die Geschichte einer Kurzhaar-Saluki-Hündin mit dem Namen „Samira“.

Im August 1975 wurde diese Hündin von dem Schiffsingenieur Gerhard Meinecke nach Deutschland importiert; denn er hatte sie als Welpe von dem damaligen Herrscher des Emirats Bahrein geschenkt bekommen. Da Samira hier in Deutschland nicht die Bedeutung in der Zucht fand, die ihr als Importhündin zur Vererbung ihres wertvollen genetischen Potentials zustand, und ich bei meinen Nachforschungen aber herausfand, dass sie eine ganz besondere Saluki-Hündin war, möchte ich ihr zu Ehren diese Geschichte erzählen. Meines Wissens ist Samira in Deutschland bis heute die einzige Saluki-Hündin aus Bahrein und eine der ersten Kurzhaar-Saluki-Hündinnen der Neuzeit.

Als Gerd Meinecke 1975 Seine Hoheit, den Emir von Bahrein, Sheikh Isa Bin Sulman Al-Khalifa kennen lernte und mit ihm in seinem privaten Strandpalast bei einem Tässchen arabischen Kaffees und süßen Tees sich über allgemeine Fragen der Tagespolitik unterhielt, kam irgendwann auch die Rede auf Salukis. Gerd erzählte Seiner Hoheit Emir Isa Bin Sulman Al-Khalifa, dass er auch Windhunde züchte und bereits einen Saluki gehabt habe. So erfuhr er, dass der Emir ca. 60 Salukis, Kurz- und Langhaar gemischt (25 Kurzhaar und 35 Langhaar), besaß. Seine Hoheit erklärte auch, dass er grundsätzlich Wert auf eine sortenreine Trennung zwischen der Kurz- und Langhaarzucht lege, um den jeweiligen Typ zu stärken. Die Familie des Emirs war in der Golf-Region dafür bekannt, dass sie große, kräftige Salukis züchtete. Die Welpen wurden im zentralen Pferdestall gehalten und die ersten Wochen unter der Aufsicht eines englischen Veterinärs dort großgezogen. Dieser war für die Hunde und auch für 500 Araberpferde zuständig. Er führte ebenfalls die entsprechenden privaten Zuchtbücher des Herrschers.

Wie vollzog sich im Bahrain nun solch eine Jagd mit Salukis auf Gazellen? Wenn es die Staatsgeschäfte erlaubten, wurde die Staatsyacht mit Gästen darauf zur Ausreise vorbereitet sowie ein weiteres Landungsschiff klar gemacht, auf dem Pferde, Hunde, Ausrüstungszelte und Lebensmittel für 14 Tage untergebracht waren. Dann wurde in See gestochen und entlang der Golfküste in Richtung Qatar und Dubai gefahren. Das Landungsschiff konnte mit heruntergelassener Bugklappe direkt auf den Strand fahren. Dort traf man sich in den angrenzenden Emiraten mitgleichgesinnten Landesfürsten, um dann die Jagd auf Gazellen vom Pferde aus vorzunehmen. Dazu saß der Saluki zuerst vor dem Reiter auf dem Pferde und wurde dann im richtigen Moment herunter gelassen. Da diese Reisen zwischen 10 und 14 Tagen dauerten und ca. 80 Personen unterwegs waren, wurde ein großes Zeltlager errichtet, von dem aus die Jagd statt fand.

Nun war natürlich Gerds Interesse geweckt und er fragte, ob er einen Welpen käuflich erwerben könne. Zuerst einmal war Seine Hoheit an den Preisen in Deutschland und Europa für Salukis interessiert. Dann aber versprach er Gerd, bei passender Gelegenheit an ihn zu denken: Bei einem kurz darauf erfolgten weiteren Treffen ließ er Gerd einen Wurf mit 12 Kurzhaar-Saluki-Welpen in der Farbe Black -and -Tan bringen. Von diesen zwölf durfte sich Gerd einen Welpen aussuchen, der erst drei Wochen alt war. Seine Wahl fiel auf eine Hündin mit einer sehr gleichmäßigen Zeichnung und hellen „Knöpfen“ über den Augen. Hündinnen und Rüden waren in dem Wurf gleich kräftig entwickelt. Nachdem Gerd seine Wahl getroffen hatte, fragte er, was der Hund koste. Daraufhin erwiderte Seine Hoheit, dass seine Salukis nicht verkauft, sondern nur als Gastgeschenk weitergereicht würden. Die Freude über diese Großzügigkeit des Herrschers war bei Gerd natürlich groß. Gerd nannte diese kleine Saluki-Hündin nach einer arabischen Prinzessin „Samira“.

Im Vorfeld wurde auch die Bestimmung der Ahnen-Nachweise angesprochen, die ihm dann durch den englischen Veterinär für diesen Wurf in mindestens sieben Generationen väterlicher- und mütterlicherseits aufgezeigt wurden. Das war wohl weitreichender als durch irgendeinen Verband praktiziert. In Samiras Ahnentafel (Breeders' Certificate) waren alle aufgeführten Vorfahren ausschließlich Kurzhaar-Salukis.

Der Welpe blieb bis zum Alter von 11 Wochen bei der Mutter, bis er anlässlich eines Heimfluges nach Deutschland importiert wurde. Obwohl Samira aus einem heißen Wüstenklima stammte, gewöhnte sie sich schnell an die kalten Winter von Norddeutschland und war nie krank, sondern erwies sich gesundheitlich als ausgesprochen robust. Sie liebte Wasser über alles und stürzte sich in jedes Wasserloch! Am liebsten schwamm sie aber im eiskalten Wasser der Elbauen oder direkt in der Elbe.

Samira mit einem Jahr – Foto: G. Meinecke

Samira erreichte die für eine Hündin enorme Widerrüsthöhe von 72 cm und war überhaupt äußerst wesensfest, nicht schreckhaft und sehr kinderlieb. Bei Anwesenheit eines Familienmitglieds zeigte sie Fremden gegenüber keine Scheu. Im Notfall hätte sie ihre Familie aber auch beschützt und sogar verteidigt. Ebenso verstand sich Samira mit anderen Hunden gut.

Nach mehreren erfolgreichen Ausstellungen wurde Samira angekört und unter Vorbehalt zur Zucht zugelassen. Es erfolgte die Tätowierung S 1 und eine Eintragung ins Zuchtbuch. Das Datum des Wurftages, der 12. Mai 1975, wurde von der Ahnentafel übernommen.

Einige Richter wollten die Kurzhaar-Saluki-Hündin bei Ausstellungen den Sloughis zuordnen. Dieses war verständlich, da bei den Salukis zu der Zeit die Varietät „Kurzhaar“ in Deutschland noch nicht bekannt war. Samira erwarb auch sehr schnell ihre Rennlizenz und lief sauber im oberen Drittel.

Gerd Meinecke musste sein bisheriges Vorhaben zu züchten leider fallen lassen, da in Deutschland kein Kurzhaar-Deckrüde zur Verfügung stand. Es gab zwar einen in der Schweiz, dazu hätte Samira aber bis zu ihrem Wurf und darüber hinaus dort bleiben müssen. Das kam auf keinen Fall in Frage!

Seine Hoheit bekam Ausstellungsberichte, sonstige Informationen und Fotos auf seinen Wunsch hin direkt übergeben, da Gerd auf dem Schiff noch drei weitere Jahre in das Emirat Bahrein fuhr und den Kontakt zu Emir Isa Bin Sulman Al-Khalifa pflegte. Bei einem dieser Besuche schenkte Gerd ihm ein Foto von Samira in einem Silberrahmen. Darüber hat sich der Emir sehr gefreut und wusste dieses Geschenk derart zu schätzen, dass er das Foto in seinem Strandpalast auf dem Schreibtisch platzierte.

Samira mit drei Jahren

Als Samira vier Jahre alt war, musste sie ihr Zuhause wechseln, weil plötzlich heftige Beißereien um die Rangordnung mit den Hündinnen aus der Whippetzucht dieses erforderten. Samira soll aber noch einige schöne Jahre in der Nähe von Hamburg bei einer netten Familie mit Kind verbracht haben. Auch hielt Gerd Meineckes Mutter regelmäßig Kontakt zu dieser Familie.

Bei dieser Familie erkundigte ich mich nach Samiras weiterem Lebensweg. Dabei konnte ich folgendes erfahren:

Die erwähnte Familie hatte Samira 1979 auf der Rennbahn zuerst gesehen und war von der Anmut des Tieres beeindruckt. Die 12-jährige Tochter Katrin wünschte sich schon lange sehnlichst einen Windhund, wobei für sie die außergewöhnlichste Rasse – der Saluki – ihr Favorit war. Die Mutter wollte aber keinen Hund, doch als Samira sich vor sie setzte und ihren Kopf auf den Schoß legte, war das Eis gebrochen und die Tochter bekam endlich ihren Traum erfüllt. Samira war eben die große Liebe auf den ersten Blick! So ist Samira auch bei der Familie bis heute unvergessen geblieben. Sie hat es durch Anmut und vornehme Zurückhaltung, Anhänglichkeit und Intelligenz geschafft, dass die Frau, die zuerst keinen Hund wollte, beim Erzählen über diese Hündin nach so vielen Jahren noch heute ins Schwärmen gerät. Sie berichtete, dass die Familie eine schöne Zeit mit Samira verleben durfte und dass sie einen tiefen Eindruck hinterlassen hat; denn sie konnte mit ihren Pfoten Menschen trösten, mit ihren Augen sprechen und sogar beleidigt sein. Ebenso ist sie der Tochter Katrin eine treue Weggefährtin gewesen. Kind und Hund waren eben unzertrennlich, deshalb ging Samira sogar mit der Tochter zusammen zum Tennisplatz oder zum Schlittschuhlaufen und zog sie dann am Schal über das Eis. Überall kannte man das Mädchen mit dem Windhund. Samira konnte von Anfang an von der Leine los gelassen werden; denn sie hörte aufs Wort und kam sofort zurück, wenn man sie rief. Das Mädchen und ihre „Partnerin“ waren bei anderen Hundeleuten sehr beliebt. Bis zur Erschöpfung rannten die Hunde mit Samira herum – sie hatte ihren Spaß, die anderen waren „platt“.

„Samira war außergewöhnlich. Sanftmütig und verschmust, passte auf mich auf und beschützte mich in bedrohlichen Situationen oder Fremden gegenüber. Wenn über sie geredet wurde, hatte ich immer das Gefühl, sie versteht alles“, beschreibt Katrin noch heute ihre Saluki-Hündin „Samira“. Sind solche Worte über einen Windhund nach so vielen Jahren nicht höher zu bemessen als jeder eventuell errungene Pokal im Ring oder auf der Bahn?

Samira erlebte jedenfalls noch fünf schöne Jahre bei der Familie, musste aber dann wegen eines Lungenödems am 18. Oktober 1984 im Alter von neuneinhalb Jahren leider eingeschläfert werden. Dieses traurige Erlebnis war für die Familie so schlimm, dass das damals 17-jährige Mädchen Qualen litt und auch ihre Mutter sich schwor, nie wieder einen Hund anzuschaffen, um das nicht noch einmal zu erleben.

Meines Wissens ist Samira in Deutschland bis heute die einzige Saluki-Hündin aus Bahrein und eine der ersten Kurzhaar-Hündinnen der Neuzeit. Heute besitze ich mittlerweile auch einen Saluki, der von einem Import-Rüden aus dem Iran abstammt.

Zum Schluss möchte ich meinen besonderen Dank an Herrn Gerhard Meinecke richten, der als der besagte Schiffsingenieur oft in den Bahrein fuhr. Er besaß auch Samira und erzählte mir hauptsächlich Samiras Geschichte. Inzwischen ist er seit vielen Jahren mit meiner Schwester verheiratet.

Ebenso danke ich allen, die mir bei der weiteren Recherche auf Samiras Lebensweg behilflich waren.


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